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Welches Autorensystem?

Neulinge, die ein eigenes Textadventure schreiben wollen, stellen sich oft die Frage nach der richtigen Programmiersprache. Diese Serie soll bei der Beantwortung helfen.

Wer sich bereits in der IF-Neuzeit umgesehen hat, dem wird aufgefallen sein, dass Textadventures in der Regel nicht als ausführbare Dateien vorliegen, sondern mit Hilfe so genannter »Interpreter« gespielt werden: .Z?-Dateien laufen auf Z-Code-Interpretern, .GAM- und .T3-Dateien auf TADS-2- bzw. TADS-3-Interpretern, für .TAG-Dateien gibt es die T.A.M., für .ULX-Dateien Glulxe, und so weiter.

Java funktioniert ähnlich: Ein Quelltext wird in einen Bytecode übersetzt, der dann von einem »virtuellen«, aber auf verschiedensten Plattformen emulierbaren Computer ausgeführt werden kann. In der IF-Szene wird allerdings kaum jemals Java verwendet, sondern eine Reihe von Programmiersprachen, Compilern und Interpretern, die auf IF-Bedürfnisse zugeschnitten sind - mal mehr, mal weniger ausschließlich. Diese Schreibwerkzeuge werden meist als Autorensysteme (Authoring Systems) bezeichnet.

Es ist keine Schande, statt C++, Java, Python oder VB ein IF-Autorensystem zu benutzen. Auch ein Autorensystem ist ja im Grunde nur eine Programmiersprache, der ein Textadventure-Grundgerüst beigegeben wurde. In diesem »Gerüst« (Parser, Weltmodell, Standardobjekttypen...) stecken oft einige Jahre Arbeit und Erfahrung: Ein Blick auf die Libraries und Manuals von z.B. TADS 3 oder Inform dürfte klarstellen, dass IF »innendrin« ungleich komplexer sein kann, als man zunächst meinen könnte. Konsequenterweise verwenden nicht nur Anfänger Autorensysteme: fast jedes gute Textadventure wurde so geschrieben (natürlich auch jede Menge Mist); in der Tat spielen sich die meisten in Allzwecksprachen verfassten Textadventures deutlich umständlicher.

Um einen weiteren Punkt anzusprechen, der Neulinge manchmal zurückschrecken lässt: es ist auch nicht uncool, am Ende kein eigenständiges .exe-File vorliegen zu haben. Ganz im Gegenteil! Ein für die Z-Machine kompiliertes Inform-Programm läuft nicht nur auf dem Betriebssystem, auf dem es geschrieben wurde, sondern überall, wo ein Z-Code-Interpreter vorliegt. Und in einer Gemeinde, in der sich neben Windows und MacOS auch diverse Unixe, Handhelds, Exoten und Antiquitäten tummeln, ist Plattformunabhängigkeit mehr als nur eine nette Geste. Das gilt natürlich nicht nur für Inform, sondern für praktisch alle »größeren« Autorensysteme. Legendäre Adventure-Schmieden wie Infocom, Magnetic Scrolls und Level 9 haben es nicht anders gehandhabt; glücklicherweise, möchte man sagen, denn dadurch sind ihre Spiele auch auf Computern lauffähig, die damals noch gar nicht existierten.

Wer auf englisch schreiben kann und will, dem bieten Roger Firths Cloak of Darkness-Seiten anhand eines kurzen Beispiel-Spiels einen ersten Überblick über ein rundes Dutzend Autorensysteme. Wirklich populär sind vor allem Inform und TADS 2, gefolgt vom derzeit noch unter-dokumentierten TADS 3 und dem Inform-ähnlichen, aber aufgeräumter wirkenden Hugo. Für Python-Fans dürfte besonders PAWS interessant sein. Weniger wagemutigen Naturen bieten sich ADRIFT und ALAN an: ADRIFT ist eher ein Construction Kit als eine Programmiersprache, und die AdventureLANguage orientiert sich statt an existierenden Programmiersprachen am vertrauten Englisch.

Aber welche Autorensysteme eignen sich nun für deutschsprachige Textadventures?

Eine erste Antwort fällt leicht: Wer nicht erst einem englischen Parser die kompliziertere deutsche Grammatik beibringen will (oder kann), sollte sich Inform und den Text-Adventure-Generator, T.A.G., ansehen. Beide haben ihre Tauglichkeit für deutschsprachige Spiele bereits unter Beweis gestellt. (T.A.G. wurde von vornherein für deutschsprachige IF entwickelt.) An einem weiteren vielversprechenden Kandidaten, Floyd, wird derzeit noch herumentwickelt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von veralteten oder auf veralteten Prinzipien aufbauenden oder mir schlichtweg unbekannten Autorensystemen, darunter auch Viktor Krammers TxA und Jürgen Poppes Abenteuer-Entwicklungssystem, die in der Rubrik Testfahrt besprochen wurden, dort aber keinen guten Eindruck hinterließen. Für TADS 2, TADS 3 oder Hugo gibt es leider noch keine (veröffentlichten) deutschen Libraries.

JADE (»Jedes Autorensystem Detailliert Erklärt«) ist das deutschsprachige Gegenstück zu «Cloak of Darkness». Wie Cloak ist auch hier das implementierte Spiel ziemlich simpel, für einen Eindruck vom Stil der jeweiligen Sprache aber adäquat. Auch hier werden die verwendeten Sprachkonstrukte beim Drübermausen erläutert. Für eine eingehendere Gegenüberstellung bieten sich zusätzlich die Quelltexte der »Interactive Fiction Guru des Monats«-Beiträge an, die sich jeweils einer (mitunter recht kniffligen) Aufgabe widmen. Verwendet wurden auch da bisher ausschließlich T.A.G. und Inform. Zeit, sie sich einmal genauer anzusehen.

(Teil zwei dieser Serie erscheint in der nächsten Ausgabe.)

02.03.2001, Ally

 
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