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Testfahrt

Begegnung am Fluss oder Die verwegene Miniatur

Florian Edlbauer hatte die Stirn, zur alljährlichen IF-Competition ein deutschsprachiges Textadventure einzureichen - wie er im Info-Text schreibt, wollte er der Erste sein, der an dieser bisher rein englischsprachigen Konkurrenz der IF-Kurzgeschichten mit einem fremdsprachigen Spiel teilnimmt.

Das jedenfalls ist ihm gelungen, wenn auch nur knapp: Ein anderes Spiel (Shattered Memory) ist eine Übersetzung aus dem Spanischen - und ein weiteres Spiel (The Gostak) ist eigentlich auch nicht in Englisch geschrieben, sondern in einer Logelei-artigen Kunstsprache (»The Gostak distims the doshes. ... But the doshery lutt is crenned with glauds. Glauds! How rorm it would be ...«)

Begegnung am Fluss landete dann auf dem 37. Platz (von 52 Spielen); also noch im Mittelfeld. Allerdings hatten von 216 Juroren nur 32 eine Bewertung für die Begegnung abgegeben; davon haben sie nach meiner Schätzung nur etwa 20 tatsächlich gespielt, die restlichen 12 haben dem Spiel als für sie nicht spielbar einfach die niedrigste Bewertung gegeben. Deshalb weisen die Bewertungen auch die zweithöchste Standardabweichung auf (knapp hinter dem Gostak).

Ein Spiel also, an dem sich die Geister scheiden?

Mitnichten. Begegnung am Fluss ist von der Struktur her ein »klassisches« Adventure: Mittelalterliches Setting, der Spieler läuft geradeaus von einer Aufgabe zur nächsten. Das Spiel ist eigentlich nur eine Miniatur, die Handlung ist rasch erzählt: Ein entsprungener Häftling auf freiem Feld, die berittenen Verfolger auf den Fersen. Die Flucht führt durch unwegsamen Wald und über den Fluss. Den einzigen Übergang über den Fluss versperrt aber ein seltsamer Fremder. Wenn alle Aufgaben gelöst sind, erfährt der Spieler, dass seine Figur und der Fremde zwei aus Film und Fernsehen bekannte Charaktere darstellen. Homerisches Gelächter, Vorhang.

Applaus: Die Aufgaben selbst sind anspruchsvoll, aber nicht zu schwer; das Spiel ist für geübte Spieler in weniger als einer halben Stunde lösbar. Florian Edlbauer hat einige Sorgfalt darauf verwendet, die Umgebung mit knappen Beschreibungen authentisch zu gestalten. Zum »Reinschnuppern« in das Genre Textadventure ist das Spiel gut geeignet.

Kritik: Die Sprache ist an manchen Stellen zu schwerfällig. Der eher nüchterne Ton des Erzählers harmoniert nicht gut mit den protzigen Dialogen der Figuren. Das Spiel ist insgesamt zu kurz: Bevor man die Atmosphäre aufgenommen hat, ist es schon wieder zu Ende.

Technik: Geschrieben ist Begegnung am Fluss mit und für Martin Oehms Text-Adventure-Maschine (T.A.M.), es sollte in allen bekannten MS-DOS-Fenstern laufen. DOSEMU unter Linux habe ich nicht getestet.

Zu finden ist das Spiel (mit allen benötigten Dateien) hier.

18.11.2001, Frank Borger

 
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